Die jüngste Ausgabe des kostenlosen Newsletters MRonline, der von der Redaktion der Monthly Review, einer US-amerikanischen Zeitschrift zusammengestellt wird und täglich bis zu sechs Beiträge bringt (vor allem, aber nicht nur, aus dem englischsprachigen Sprachraum, einschließlich der früheren britischen Kolonien, darunter besonders wichtig Indien), veröffentlicht in seiner jüngsten Ausgabe den Bericht, den Nizam Mamode, ein pensionierter Chirurg des National Health Service (dem staatlichen Gesundheitsdienst) vor britischen Parlamentsabgeordneten über das von ihm erlebte Geschehen in Gaza gegeben hat. Es ist ein herzzerreißendes Dokument; selbst wer des Englischen nicht mächtig ist, sollte sich auch das Video der Anhörung von Mr. Mamode ansehen und anhören. Wir haben hier eine automatische Übersetzung des Beitrags verlinkt.
Übrigens enthält die MRonline-Ausgabe vom selben Tag auch eine Stellungnahme von 30 internationalen jüdischen Organisationen gegen den israelischen Völkermord in Gaza sowie einen ebenfalls höchst lesenswerten Beitrag des indischen Marxisten Vijaj Prashad. (Friedensforum Düsseldorf)
Britischer Chirurg erklärt Parlamentsabgeordneten:
Israelische Drohnen schießen „Tag für Tag“ gezielt auf Kinder im Gazastreifen
Ursprünglich veröffentlicht: Middle East Eye am 13. November 2024 von Dania Akkad (mehr von Middle East Eye ) |(Gepostet am 15. November 2024 )
Ein pensionierter NHS-Chirurg, der vor kurzem von seiner Arbeit in einem Krankenhaus im Gazastreifen zurückgekehrt ist, sagte, er habe „Tag für Tag“ Kinder behandelt, die nach Bombenangriffen gezielt von israelischen Drohnen angegriffen worden seien.
In einer erschütternden Aussage vor britischen Parlamentsabgeordneten am Dienstag sagte Nizam Mamode , von all den Konflikten, in denen er gearbeitet habe, einschließlich des Völkermords in Ruanda, hätten er und andere erfahrene Kollegen in Gaza „noch nie etwas in diesem Ausmaß gesehen“.
Er sagte, dass es mindestens ein- bis zweimal täglich zu „Massenunfällen“ kam, bei denen 10 bis 20 Menschen getötet und bis zu 40 schwer verletzt wurden. Er schätzte, dass mindestens 60 Prozent der zu diesen Zeitpunkten behandelten Menschen Frauen und Kinder waren.
Das passiert nicht gelegentlich. Tag für Tag operierte ich Kinder, die sagten: „Ich lag auf dem Boden, nachdem eine Bombe abgeworfen worden war, und dann kam dieser Quadrocopter herunter, schwebte über mir und schoss auf mich.“
Mamode arbeitete zwischen August und September einen Monat lang im Nasser-Krankenhaus im Süden des Gazastreifens für die britische Wohltätigkeitsorganisation Medical Aid for Palestine (MAP).
Er sagte, er habe den gesamten Monat im Krankenhaus verbracht, zum Teil, weil es für Reisen zu gefährlich gewesen sei, aber auch, weil Israel im Januar das Gästehaus von MAP im Süden des Gazastreifens bombardiert habe. Mamode glaubt, dass die Tat vorsätzlich erfolgte.
„Alle diese Gästehäuser sind in den Computern der israelischen Armee verzeichnet und gelten als sichere Unterkünfte. Daher gehe ich davon aus, dass es sich um einen gezielten Angriff handelte und das Ziel darin bestand, Hilfskräfte von der Anreise abzuhalten“, sagte Mamode.
Fünf israelischen Angriffen auf UN-Konvois schrieb er dasselbe Ziel zu, darunter einem während seines Aufenthalts in Gaza.
Die Labour-Abgeordnete und Ausschussvorsitzende Sarah Champion bat Mamode um eine Klarstellung, ob er damit gemeint habe, dass abtrünnige Scharfschützen auf die Panzerfahrzeuge geschossen hätten.
„Nein, nein“, sagte er.
Hier rückt die israelische Armee als Einheit vor und schießt gezielt.
Mamode sagte, er habe „sehr klare Anweisungen“ darüber erhalten, was zu tun sei, wenn er sich in einem UN-Konvoi in Gaza aufhalte.
„Die Türen werden verschlossen sein, wenn Sie losfahren. Öffnen Sie die Türen nicht, wenn die Armee auf Sie schießt und Ihnen den Befehl zum Aussteigen gibt. Steigen Sie nicht aus dem Fahrzeug aus“, sagte er.
Dies ist ein UN-Konvoi. An der Seite steht in großen Buchstaben „UN“ und zweimal pro Woche bringt er etwa 30 bis 40 Hilfskräfte verschiedener Organisationen ein und aus.
Mamode sagte, er habe sich entscheiden müssen, ob er in einem heißen Raum im Krankenhaus oder draußen auf der Treppe schlafen wolle, wo es kühler sei, Drohnen ihn aber „erwischen könnten“.
Mamode fügte später hinzu:
Meine größte Angst während meines Aufenthalts dort war, von den Israelis getötet zu werden.
Maden in Wunden
Der 62-jährige Chirurg erlitt während seiner Aussage dreimal einen Nervenzusammenbruch, als er detailliert über seine Patienten berichtete. Unter anderem berichtete er von einem 8-jährigen Mädchen, das seiner Aussage nach an einem Samstagabend während einer Operation verblutet sei.
„Ich bat um einen Abstrich und sie sagten: ‚Keine Abstriche mehr‘“, sagte er und war für einen Moment nicht in der Lage zu sprechen.
Mamode sagte, dass es aufgrund der von Israel verbotenen Hilfe nach Gaza an medizinischen Hilfsgütern mangele, darunter sterile Handschuhe, Tücher und Schmerzmittel, aber auch an grundlegenden Artikeln wie Seife und Shampoo, was zu unhygienischen Bedingungen führe.
„Ich habe wer weiß wie viele Wunden mit Maden darin gesehen. Einer meiner Kollegen hat auf der Intensivstation Maden aus dem Hals eines Kindes entfernt“, sagte er.
Im Operationssaal landeten Fliegen in Wunden.
Besonders beunruhigte ihn und seine Kollegen das Muster der von Drohnen verursachten Verletzungen: drei bis vier Schüsse auf der linken und rechten Brustseite sowie in der Leistengegend.
„Wir dachten, das sei ein offensichtlicher Beweis für eine autonome oder halbautonome Drohne, denn ein menschlicher Bediener wäre nicht in der Lage, so schnell und mit einer solchen Genauigkeit abzufeuern“, sagte Mamode.
Er sagte aber auch, dass die von den meisten Drohnen abgefeuerten Schrotkugeln zerstörerischer seien als Kugeln, die einen Körper direkt durchbohren würden. Stattdessen hüpften die Schrotkugeln im Körper umher.
Ein siebenjähriger Junge – eines der Kinder, die Mamode erzählt hatten, er sei in einen Bombenangriff verwickelt gewesen und dann absichtlich von einer Drohne getroffen worden – kam mit einem heraushängenden Magen und weiteren Verletzungen an Leber, Milz, Darm und Arterien ins Krankenhaus.
„Er hat das überlebt und ist eine Woche später rausgegangen“, sagte er.
Ob er noch lebt, weiß ich nicht.
„Sie haben ihn weggebracht und getötet“
Als ein Abgeordneter Mamode fragte, ob er während seiner Arbeit Hamas gesehen habe, lachte der Arzt.
„Ich lache, weil ich diese Frage gestellt habe, als ich dort ankam. ‚Ist die Hamas also im Krankenhaus?‘ Und sie haben mich nur ausgelacht“, sagte er.
Sie sagten:
Es gibt keine Hamas. Es gibt ein paar Kämpfer, die sich in Tunneln verstecken. Es gibt keine Hamas. Es gab nie Hamas im Krankenhaus. Jeder hasst die Hamas.
Mamode sagte, in anderen Konfliktgebieten seien die Kämpfer normalerweise offensichtlich bewaffnet.
„Wir haben nichts davon gesehen. Wir durften im Krankenhaus hingehen, wohin wir wollten“, sagte er.
Vielleicht gab es darunter einen Tunnel. Wer weiß? Aber wenn Hamas im Krankenhaus ständig hin und her ging, wäre das ziemlich offensichtlich gewesen.
Seine palästinensischen Kollegen erzählten Mamode, dass viele andere Kollegen verschleppt und festgenommen worden seien, als israelische Streitkräfte im Februar das Krankenhaus angriffen, Mitarbeiter töteten und sie mit Patienten in einem Massengrab begruben.
Unter ihnen war ein Atheist. „Er hasste die Hamas und vor dem Krieg äußerte er sich lautstark zu diesen Themen. Er hielt den Islam einfach für dumm und er hielt die Hamas für dumm“, sagte Mamode.
„Sie haben ihn einfach weggebracht und getötet. Das ist, was hier passiert. Soweit ich das sehe, ist es egal, wer man in Gaza ist. Wenn man ein Palästinenser in Gaza ist, ist man ein Ziel“, sagte er.
Champion sagte, Mamodes Aussage sei „tiefgründig und zutiefst erschütternd“ gewesen.
Sie sagte:
Angesichts dieser Erkenntnisse muss Großbritannien die Annahme ernst nehmen, dass im Gazastreifen das humanitäre Völkerrecht auf eklatante Weise gebrochen wurde.
Die Anhörung des Ausschusses fand statt, nachdem die 30-tägige Frist, die die US-Regierung Israel im vergangenen Monat gesetzt hatte, um sicherzustellen, dass mehr Hilfsgüter nach Gaza gelangen, verstrichen war. NGOs warnten , die Lage im Norden des Gazastreifens sei heute „noch schlimmer als vor einem Monat“.
Einige Stunden nachdem Mamode seine Beweise vorgelegt hatte, erklärte die Biden-Regierung, sie werde die Waffenlieferungen an Israel nicht wie angedroht einschränken, und führte an, Israel habe „eine Reihe von Schritten“ unternommen, um seinen Forderungen nachzukommen.
„Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu der Einschätzung gelangt, dass die Israelis gegen US-Recht verstoßen haben“, sagte Außenministeriumssprecher Vedant Patel.
Wir werden weiterhin prüfen, ob sie mit dem US-Recht konform gehen. Wir haben einige Fortschritte gesehen. Wir würden uns wünschen, dass weitere Änderungen vorgenommen werden.
Seit vielen Jahren führt die Historikerin Gisela Blomberg zum Gedenken an die Reichspogromnacht (9.11.1938) in wechselnden Stadtteilen Düsseldorfs zu Häusern, deren Bewohner diesem von den Nazis organisierten Pogrom zum Opfer fielen, und berichtet über das Schicksal der davon betroffenen jüdischen Menschen. Der diesjährige Rundgang – an dem 19 Menschen von Anfang an teilnahmen, mehrmals interessierten sich aber auch Passanten für einzelne Stationen – führte durch die Grunerstraße in Düsseltal. Neu war, dass der Rundgang erstmals nicht für die VVN durchgeführt wurde, sondern im Namen unseres Friedensforums, in dem sich Gisela Blomberg, seit ihrem Austritt aus dem Vorstand der VVN-BdA Düsseldorf, verstärkt engagiert. Auch über ihre Gründe für diese Entscheidung hatten wir Euch schon informiert.
Auf die oft mit großem Aufwand recherchierten Erläuterungen zu den Opfern des Pogroms – nur für wenige gibt es Stolpersteine – können wir nicht eingehen; aber wenigstens die Bemerkungen G.B’s zu Beginn und am Ende der Führung wollen wir hier dokumentieren:
Einleitende Bemerkung:
Im Namen des Düsseldorfer Friedensforums möchte ich Sie/Euch herzlich zu unserem heutigen Gedenkgang begrüßen.
Wir gedenken der Menschen, die im Novemberpogrom vor 86 Jahren von den SA- und SS-Horden und auch von der Polizei überfallen wurden, deren Wohnungen und Geschäfte verwüstet wurden, die misshandelt und sogar ermordet wurden. Allein in Düsseldorf gab an die 500 Überfälle, 70 Verletzte, 13 Tote, 82 Männer wurden in das KZ Dachau deportiert.
Diese Verbrechen fanden in einer historischen Situation statt, in der nach fünfeinhalbjähriger faschistischer Herrschaft kein Hehl mehr daraus gemacht wurde, dass, nachdem alle jüdischen Menschen zu Feinden der deutschen „Volksgemeinschaft“ erklärt worden waren, ihnen in Deutschland jegliche Lebensgrundlage genommen werden sollte.
Die Novemberpogrome fanden im letzten Friedensjahr statt, sie waren Verbrechen auf dem Weg in den imperialistischen Krieg.
Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass der faschistische Antisemitismus als Staatsdoktrin und -praxis mit all seinen Gewalttaten auch der Zurichtung des deutschen Volkes diente: d.h., seit 1933 wurde dem deutschen Volk auf der einen Seite der Wahn vom Herrenvolk eingeimpft, auf der anderen Seite die antisemitische Lüge vom vorgeblichen „bolschewistischen Weltjudentum“, das danach trachte, die deutsche Herrenrasse zu vernichten. Gesellschaftliche Widersprüche sollten sich nicht im Klassenkampf, sondern im „Rassenkampf“ entladen.
In dieser Hinsicht unterscheidet sich unsere Geschichtsarbeit von der offiziellen Darstellung des Holocausts, in der diese Zusammenhänge ausgeblendet werden.
Nicht nur jüdische Menschen wurden zu Feinden der deutschen Herrenrasse erklärt. Die Nazis, denen der Mord an Gegnern und angeblichen Rassefeinden keinerlei Skrupel bereitete, erklärten auch die Slawen, die Sinti und Roma und die Menschen des afrikanischen und asiatischen Kontinents zu Untermenschen. Die Mehrheit der Weltbevölkerung sollte vom deutschen Herrenvolk beherrscht und seinen Interessen unterworfen werden.
Jegliche Solidarität und Mitgefühl mit den vermeintlichen Feinden wurden dem deutschen Volk seit der Machtübergabe an die Faschisten systematisch ausgetrieben, eine Vorbedingung für die Umsetzung der geplanten Ausbeutung der weltweiten Ressourcen und des Abschlachtens von Millionen von Menschen im bevorstehenden Krieg.
Schlussbemerkung:
Erlaubt mir am Ende des Rundgangs noch eine Bemerkung zu der aktuellen Situation.
Es muss nicht betont werden, dass wir jeden Antisemitismus wie jeglichen Rassismus ablehnen. Aber mit der jetzt vom Bundestag verabschiedeten Antisemitismus-Resolution soll die berechtigte Kritik an der völkerrechtswidrigen Politik der israelischen Regierung als Antisemitismus diffamiert werden. Diese Resolution bezweckt auch die Ausschaltung jeglicher Kritik an der bundesdeutschen „Staatsräson“, mit der der Völkermord in Gaza als Selbstverteidigung Israels gerechtfertigt wird. Der Holocaust kann nicht mit einem Völkermord an den Palästinensern gesühnt werden!
Die Solidarität mit dem palästinensischem Volk wird – wie wir das nicht nur an dem Verbot der Palästina-Solidarität Duisburg sehen – kriminalisiert. Dagegen müssen wir uns wehren, unsere Solidarität und Mitgefühl gilt den Unterdrückten in dieser Welt. Die deutsche Politik gegenüber Israel ist inhuman, ist gleichgültig gegenüber dem Leid der Menschen in Palästina und im Libanon. Sie ignoriert das Völkerrecht und isoliert Deutschland in der Welt.
Als Friedensbewegung fordern wir von der Bundesregierung ein Ende statt der Verdopplung der Waffenlieferungen an Israel. Die Bundesregierung darf nicht weiter die Verstöße der israelischen Regierung gegen das Völkerrecht, gegen die Menschenrechte und gegen die Völkermordkonvention unterstützen!
Ein Disput zur Geschichte und Rolle Israels
In diesem Zusammenhang dürfte auch eine Disput interessieren, den Caitlin Johnstones Artikel zum Wahlausgang in den USA ausgelöst hat, den wir am 8.11. in einer versehentlich an einen offenen Verteiler gerichteten Rundmail verschickt hatten.
Eine Adressatin hat darauf mit folgender Bemerkung reagiert:
‚Das kriegshetzerische zionistische Völkermordmonster‘?? Israel hat diesen jüngsten Krieg um die Hoheit über Palästina nicht begonnen und nicht gewollt! ‚Das Land‘ ist auch nicht ‚geklaut‘ – es wurde den weltweit verfolgten jüdischen Menschen als Heimstätte zugesprochen.- Israel ist ein friedlicher, demokratischer Staat, in dem Juden und Araber mit den gleichen Rechten leben. Allerdings wurde dieser Staat von Anfang an von seinen Feinden rundherum bekämpft und Israel ist bis heute gezwungen, sich gegen diese Feinde zu behaupten bzw zur Wehr zu setzen!
Martin Leo, ein heute in Portugal lebender deutscher Politikwissenschaftler, der ebenfalls unseren Rundbrief bezieht, hat darauf ausführlich und sehr kenntnisreich geantwortet – in einem Brief, der allerdings nur an die Autorin des vorigen Schreibens ging. Wir halten seine Antwort, die er auch uns zur Kenntnis bringt und in Einklang mit den Positionen unseres Friedensforums steht, aber für so wichtig, und dass wir sie heute ebenfalls weiterverbreiten wollen:
Sie haben in einen großen Verteiler Ihre Meinung kundgetan zur Äußerung, dass Israel ein „kriegshetzerisches zionistisches Völkermordmonster“ sei.
Ich möchte kurz darauf eingehen. Ich habe viel gelernt von Menschen mit jüdischer Abstammung, die Israel einst genauso gesehen haben, wie Sie es darstellen, als hätte sich seitdem nichts geändert: Ja, Israel sollte (auch!) die Heimstätte der Überlebenden und Verfolgten sein. Ich kenne auch keine wichtige politische arabische Stimme, die Israel generell noch ein Existenzrecht absprechen würde. Doch heute geht es längst um das Existenzrecht Palästinas. Die Forderung, Israels Existenzrecht anzuerkennen, spielte besonders in den siebziger Jahren eine wichtige Rolle. In der einen oder anderen Weise erfolgten diese Anerkennungen im Laufe der Zeit auch. Sie wissen hoffentlich, dass das eine Voraussetzung für den Osloer Prozess war, der jedoch auch einen lebensfähigen palästinensischen Staat vorsah. Diese Anerkennung des israelischen Existenzrechts ist keineswegs so eine Selbstverständlichkeit, wie sie ausgerechnet zum Beispiel den Nachfahren der deutschen Holocaust-Verantwortlichen erscheinen mag.
Sie selbst schreiben locker, das Land sei den Juden „zugesprochen“ worden. Es stimmt. Das war ein UNO-Beschluss. Nichtsdestotrotz hatte man sich hier über die Rechte der dort schon lebenden Menschen hinweggesetzt. Der Beschluss war einerseits geprägt vom Holocaust und andererseits von einer Zeit, in der koloniales Denken und Bevormundung anderer Völker gewöhnlich waren.
Wir sollten heute anerkennen, dass die Menschen, die dort seit Jahrhunderten lebten, nicht gefragt wurden. Sie mussten überlebende Menschen für das, was deutsche Faschisten ihnen angetan hatten, entschädigen. Weshalb hat man den Verfolgten nicht Bayern gegeben und die Deutschen ausgesiedelt? Ich hoffe, Sie verstehen, wie ich das meine.
An der europäischen Besiedlung Palästinas hatten die Großmächte ein ganz eigenes Interesse. Insbesondere Großbritannien, das hier weiteren Einfluss behalten wollte. Und man begreift Israel auch nicht, wenn man den Zionismus und die im Grunde europäisch-kolonialen Ideen von Herzl aus dem 19.Jahrhundert nicht einbezieht. Das entstand natürlich auch im Kontext von Verfolgung, war aber selbst eine rassistische Idee, die lange vor dem Holocaust entstand. Der Zionismus stand also immer Pate bei der Gründung Israels.
Das sollte man wissen, um ein gerechtes Urteil zu fällen.
Was dann im Zuge der Gründung folgte, waren Massenmord und Vertreibung von Arabern, die dort ihre Heimat hatten. Wenn man dem Staat Israel heute ein Existenzrecht zugesteht, dann kann diese Zusicherung überhaupt nur im Zusammenhang mit dem Existenzrecht eines palästinensischen Staats aufrechterhalten werden. Auch er war Teil des Beschlusses der Vereinten Nationen.
Ihre Meinung lässt ein erschreckendes Maß an Unwissen erkennen. Wissen Sie denn nicht, dass Israel der meines Wissens einzige Staat der Welt ist, der seine staatlichen Grenzen nie definiert hat, zum Beispiel in einer Verfassung? Wissen Sie nicht, dass der jetzige israelische Premier vor der UNO Karten gezeigt hat, die Teile der arabischen Nachbarstaaten als Israel ausgewiesen haben? Wissen Sie nicht, dass das jetzige Israel seit 1967 arabisches Gebiet besetzt hält, obwohl das gegen das Völkerrecht und UN-Beschlüsse verstößt? Wissen Sie nicht, dass regierende (!!) israelische Faschisten ihre Gebietsansprüche auf das gesamte Westjordanland und Gaza und andere Gebiete auch religiös begründen? Kennen Sie nicht den Beschluss der Knesset von 2019, mit dem spätestens ein Apartheidstaat südafrikanischen Musters errichtet und Araber weitgehend entrechtet wurden? Israel wurde zum Staat der Juden erklärt. Ich bitte Sie – was ist das? Ist das ein Staat, der allen Menschen gleiche Rechte gibt? Das sind doch Fakten, die man nachlesen kann. Israel ist seitdem auch formell nicht ein Staat aller dort lebenden Bürger, sondern eben ausschließlich der Juden. Eine Religion wird zur Grundlage eines Staats erklärt. Im Falle der islamischen Republik Iran fand man dazu „im Westen“ klare Worte.
Im Zionismus gibt es Rechte und Linke. Aber auch die linken Zionisten sind nicht der Meinung, dass alle Menschen in Israel gleiche Rechte haben sollten. Sie sind nur weniger aggressiv. Die rechten Zionisten vertreten die Idee der Vertreibung und der ethnischen Säuberung. Als Antirassist und Antifaschist kann man hier nicht gleichgültig bleiben und sich mit Israel solidarisieren, vielleicht weil man meint, dies sei man Israel gerade als Deutscher schuldig.
Kennen Sie nicht prominente jüdische Stimmen aus Israel wie die von Ilan Papé, die uns Deutschen immer wieder zu erklären versuchen, dass Antisemitismus eine Spielart des Rassismus ist und der Zionismus selbst eine rassistische Idee ?
Oder gehören Sie zu denen, die solchen Juden erklären, sie seien gar keine richtigen Juden, sondern Antisemiten? Es gibt ja heute wie früher Deutsche, die meinen, bestimmen zu können, wer Jude ist und wer nicht.
Ich fühle mich ganz und gar nicht verpflichtet, mich hinter dieses Israel zu stellen. Im Gegenteil.
Momentan scheinen die Israelis in der Minderheit zu sein, die ihre eigenen Extremisten als Ursache für die Gewalt erkennen. Tausende verlassen das Land, auch weil sie es immer weniger wieder erkennen. Bei uns im politischen Westen tut man so, als habe die Gewalt erst mit dem 7.10.23 begonnen.
Weshalb verweigert man den Palästinensern seit Jahrzehnten ihr Recht auf einen lebensfähigen und von Israel unabhängigen Staat? Und ist Ihnen bekannt, dass der israelische Inlandsgeheimdienst, sozusagen das israelische FBI, aktuell gegen die Regierung ermittelt, um herauszufinden, ob sie den 7.10. „passieren ließ“, wofür es viele Indizien gibt? Ist Ihnen bekannt, dass Joe Biden in den letzten Jahrzehnten mehrmals sagte, wenn es Israel nicht schon gäbe, müsste man es erfinden, weil es für die US- Interessen unverzichtbar und so etwas wie ein unsinkbarer Flugzeugträger ist? Ist die Ermordung von Zehntausenden Zivilisten in Gaza, sind die ständigen Übergriffe gegen andere Länder wie Libanon und Syrien oder Irak, die Ermordung politischer Repräsentanten und sogar von Verhandlungsführern etwas anderes als staatlicher Terrorismus und Völkermord?
Leider muss ich Ihnen erklären, wenn Sie es nicht begreifen, dass genau diese Politik heute die Existenz auch eines demokratischen Israels tatsächlich gefährdet. Israel ist heute ein terroristischer Unrechtsstaat. Wir dürfen gerade als Deutsche nicht wieder die Augen vor Völkermord verschließen.
Was Sie hier leichtfüßig erklären, ist die Rechtmäßigkeit des Völkermords, weil man sich ja nur wehre.
Ehrlich gesagt ist das noch schlimmer als das, was sich unsere Vorfahren vorzuwerfen haben. Denn diese konnten sich wenigstens zu einem Teil damit herausreden, nicht alles gewusst zu haben. Das traf sicher auch auf einige Menschen zu, obwohl ihnen Ausgrenzung nicht entgangen sein konnte.
Heute erklären israelische Politiker vor aller Welt ihre Vernichtungsfantasien und setzen sie in die Tat um. Meines Wissens hat die israelische oppositionelle Zeitung Haaretz alle entsetzlichen Zitate israelischer Politiker gesammelt. Alle können es wissen und sehen. Es findet vor unseren Augen statt.
Wie kann das sein, dass Sie sich mit so einer unglaublich „naiven“ Erklärung schuldig machen wollen?
Wie kann es sein, dass die Welt scheinbar zusieht? Es ist die Angst davor, dass dieses „Monster“ Atomwaffen einsetzen könnte. Es ist die Angst davor, dass sein Schutzpatron USA andere Länder in Schutt und Asche legen könnte. Aber wie soll man Haltungen wie Ihre moralisch noch rechtfertigen können?
Können Israelis oder Menschen mit jüdischer Abstammung keine Faschisten sein? Natürlich können sie das.
Dieser rechtsextreme Staat von religiösen Fanatikern reißt das israelische Volk selbst in den Abgrund.
Wenn diese Leute straflos bleiben, wird das echten Antisemitismus in der Welt befördern. Dann wird es heißen, sie dürften diese Verbrechen begehen, „weil sie Juden sind“. Alle antisemitischen Stereotypen werden wieder auferstehen.
Es gibt für Israel als wirklich demokratischen Staat nur eine Zukunft, wenn es alle besetzten Gebiete aufgibt und alle palästinensischen Rechte anerkennt. Israel wird sonst in einem Zermürbungskrieg, den es nicht gewinnen kann, wirtschaftlich, militärisch und insbesondere moralisch untergehen und das auch verdienen. Ausgerechnet Israelis werden sich eines Tages schämen müssen für das, was in ihrem Namen angerichtet wurde.
60 Anmeldungen waren bei uns eingegangen, aber tatsächlich kamen über 90 Menschen zu unserer Veranstaltung am 2.11.2024 mit Professor Michael Meyen.
Und – hätten nicht Wirt und Brauerei gelassen auf die Anwürfe der so genannten „Kö-Antifa“ reagiert – wäre das ganze gar nicht möglich gewesen.
So war der Raum bis auf den letzten Platz gefüllt. Meyen, dem man anmerkt, dass er kaum um irgend eine Antwort verlegen ist und der seinen Vortrag frei und ohne selbstdarstellerische Arroganz hielt, begeisterte die Zuschauer mit seinem Wissen um die subtilen Vorgänge bei der so genannten Cancel Culture, die nichts anderes ist als moderne Zensur.
Diese Zensur kommt nicht wie üblich über offizielle Verbote daher. Sie bedient sich der breiten Öffentlichkeit und der Medien, bei denen Menschen arbeiten, die – über Zeitverträge und die Aussicht auf langfristige Beschäftigung und Erfolg korrumpiert – das schreiben, was Gehör finden soll.
Ein großer Teil der Journalisten ist abhängig von Aufträgen der öffentlich-rechtlichen Medien, aber auch von Stiftungen wie
Bertelsmann, Amadeo u. a. Wer es sich mit diesen Medien verscherzt, bekommt keine Aufträge mehr, wird materiell und sozial isoliert.
Spätestens seit Corona ist klar, dass es eine grundlegend andere Auffassung schwer hat. Die öffentlich-rechtlichen Medien werden zum Sprachrohr der
Politik und der Mächtigen, um eine Teilhabe, die zwar offiziell möglich, eigentlich aber nicht gewollt ist, kämpfen viele Menschen vergebens. Auch dagegen, dass sie für diese „Nicht-Teilhabe“ auch noch Gebühren zahlen.
Auf die Frage, wie viel Spaltung die Gesellschaft so aushält, vermittelte Michael Meyen, dass es nach Geheimdienstangaben wohl noch bis 2030 dauern würde, bis es dann irgendwie wieder vorbei sein dürfte. Wie diese Einigung aussehen kann, ist Teil der Entwicklung, die wir – auch unter erschwerten Bedingungen – alle mit beeinflussen.
Das rege Interesse an der Veranstaltung war ein lebendiger Beweis dafür, dass viele viele Menschen sich gegen die Verengung des Meinungskorridors wenden.
uns erreichte über den Mieterrat des Salzmannbaus die folgende Information: „am kommenden Donnerstag, dem 23.05. um 18.00 Uhr findet ein Treffen der AfD im Saal des Bürgerhauses hier bei uns im Salzmannbau statt. Keiner hat sie eingeladen, die AfD hat sich das Recht auf das Treffen im Bürgerhaus vor dem Bundesverwaltungsgericht erstritten. Wir sind entschieden dagegen, dass Menschen mit extrem rechter Gesinnng sich bei uns im Salzmannbau treffen. Das passt nicht zu uns und dafür stehen wir nicht. Wir treffen uns am 23.5. ab 17.00 Uhr vor dem Bürgerhaus, um unseren Unmut darüber zu zeigen.“
Wir haben intensiv darüber beraten, wie wir mit dieser Situation umgehen sollen. Letztlich sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir, die wir den Raum bereits seit einigen Wochen festgemacht haben, unsere Veranstaltung dennoch durchführen werden. Auch uns vereint nichts mit der AFD, die sich – abgesehen von ihrem neoliberalen Programm – für Hochrüstung, für die Nato und für Waffenlieferungen an Israel einsetzt. Auch da, wo die AfD Ressentiments gegen Geflüchtete schürt, verortet sich das Friedensforum ausdrücklich nicht. Dennoch ist es leider so, dass wirkliche Friedensfreunde in der Parteienlandschaft kaum noch anzutreffen sind. Aus unserer Sicht verfängt die Politik der AfD gerade, weil viele Menschen den Kriegskurs der Ampelregierung und auch der CDU ablehnen. Fälschlicherweise sind sie der Meinung, dass die AfD sie in diesem Punkt vertritt. Das war in den vergangenen Jahren für uns der Grund, den Protest auf die Straße zu tragen, um für friedliche Konfliktlösung zu werben, wo es die etablierten Parteien bis auf Einzelpersonen schon lange nicht mehr tun. Und es ist umso wichtiger, dass wir angesichts der AfD-Veranstaltung nicht einknicken und unsere Veranstaltung dennoch durchführen. Die Proteste beginnen um 17.00 Uhr. Unsere Veranstaltung beginnt um 19.00 Uhr. Da wir über einen Schlüssel verfügen, werden wir über den Hintereingang dafür sorgen, dass alle InteressentInnen die Veranstaltung mit Gisela und Hermann besuchen können. Und es besteht die Möglichkeit, sich an den Protesten gegen die AfD-Veranstaltung zu beteiligen. Viele Grüße Maggie (für das Friedensforum)
Das wäre die eindringliche Frage, die wir auf der Straße stellen müßten! Leider ist die Präsenz auf den Straßen überschaubar, weil eben leider auch Vielen reicht, es auf den sozialen Medien oder kleine Konferenzen Kriegsfragen auszutauschen um es dann dabei zu belassen. Den Friedensgegnern freut es und die EU – Auftaktveranstaltungen der Ampel, der CDU/CSU zeigten das am Wochenende doch sehr eindeutig – von der AfD ganz zu schweigen!
Grüße Karin Gerlich
——– Weitergeleitete Nachricht ——–
Betreff:
Bist du bereit, für Deutschland zu sterben?
Datum:
Mon, 29 Apr 2024 11:06:17 +0200
Von:
An:
BITTE WEITERLEITEN
Bist du bereit, für Deutschland zu sterben?
Untergrund-Blättle
Diese Frage wird so direkt den Bürgern gegenwärtig nicht vorgelegt, noch stellen sie sich diese selbst in ihrem Alltag.
Dennoch wirft die Politik sie auf, wenn Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärt: „Wir müssen kriegstüchtig werden“ (ZDF, 29.10.23)
Wer kriegstüchtig sein will, schliesst ja gerade die Option ein, einen Krieg zu führen. Und wenn Pistorius eine „Richtungsentscheidung zur Wehrpflicht“ möglichst „bis 2025“ will (Der Spiegel, 5.3.24), ist klar, wer dann den Kriegsdienst zu leisten hat – eben das dienstverpflichtete Volk.Im Grundsätzlichen ist das kein Novum fürs deutsche Volk, das seit Gründung der BRD mit heftigen Auf- und Nachrüstungsschüben beglückt wird, jetzt eben mit einer offiziellen „Zeitenwende“. Die setzt dem Ganzen natürlich eine neue Zielmarke, nämlich die Rolle der „Führungsmacht“. Jetzt heisst es nicht mehr, dass man alles dafür tut, um durch Abschreckung die Kriegsverhinderung zu gewährleisten; die Regierung ist vielmehr dabei, alle materiellen wie personellen Voraussetzungen zu schaffen, um einen Krieg zu führen.So will die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger die Schulen kriegstauglich machen (FAZ, 18.3.24), Minister Robert Habeck fördert die Militärforschung (Handelsblatt, 6.3.24) und trifft die Spitzen der Rüstungsindustrie, um „die militärische Verteidigungsfähigkeit in den Dimensionen Land, Wasser, Luft durch die deutsche Verteidigungsindustrie“ zu stärken (focus.de 19.3.24). Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sieht sich gefordert, die Krankenhäuser kriegstauglich zu machen (tagesschau.de, 2.3.24).
Da wollen die Medien nicht zurückstehen und machen selbst die Kleinsten mit Kriegsnotwendigkeiten vertraut (siehe „Ein Marschflugkörper wie Du und ich“, Overton-Magazin, 1.3.24). Das Volk soll eben nicht nur brav seine Arbeit tun und so die Voraussetzungen für den Krieg schaffen. Es ist auch als Mitmacher im Waffengang gefragt, in der einen oder anderen Form schon als Material zu dessen Realisierung verplant: als Soldaten und aktivierbare Reservisten, als Arbeitnehmer in der Kriegswirtschaft oder in der Gesundheitsversorgung, als Volkserzieher oder Pfaffen in der Militärseelsorge…
Dazu braucht es als Erstes Loyalität. Bescheidwissen über die Gründe der weltpolitischen Affären ist da nicht gefragt, kann eher stören. Verlangt ist zudem ein solides Feindbild und damit die Bereitschaft, bis zum Äussersten zu gehen. Wer als Gegner ins Auge gefasst wird – Russland und China –, ist auch kein Geheimnis. Aber es geht ja generell um „Herausforderungen“, die uns aus dem Ausland drohen. Dort sieht man das übrigens genauso. So steht immer ein „Wir“ gegen die anderen, die es existenziell bedrohen.
Und es stimmt ja, im modernen Krieg sind nicht nur die Soldaten an der Front die Opfer, sondern es gilt immer auch die Versorgungswege und Produktionsstätten, also die Lebensgrundlagen der feindlichen Nation, zu treffen. Damit gibt es ständig zivile Opfer, auch wenn alle Kriegsparteien betonen, dass sie nur militärisch relevante Ziele angreifen. Die Ukraine und der Krieg im Gaza liefern dazu reichlich Anschauungsmaterial. Von daher ist jetzt schon in aller Härte die Frage an jeden Bürger gestellt, wie er oder sie zu der Einsatzplanung der Regierung in Sachen Krieg stehen, in der sie als potentielle Opfer fest eingeplant sind. Noch ist es Zeit, sich gegen die Kriegsvorbereitung zu wehren; wenn der Krieg ansteht, wird die Frage gar nicht mehr gestellt, dann zählt nur noch die Pflicht.
Die ist dem Staatsbürger zwar vertraut, sie muss aber immer neu bebildert werden. Also: Wozu soll man sein Leben geben? Wie heissen aktuell die allzu bekannten Antworten?
Für unsere Sicherheit
Politiker wie Journalisten lieben es in der ersten Person Plural von „wir“ und „uns“ zu sprechen und so ihre Zuhörer oder Leser zu vereinnahmen. Das sollte man nicht durchgehen lassen. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, ob die Politik ihre Sicherheit bzw. Freiheit in der Ukraine oder am Hindukusch bedroht sieht oder ob es um die persönliche Sicherheit von Herrn Müller oder Frau Meier geht. Irgendwie soll das immer dasselbe sein, auch wenn Müller oder Meier niemanden aus diesen Gegenden kennen, mit dem sie irgendwelche Händel laufen haben. Worauf diese Vereinnahmung setzt und damit Glaubwürdigkeit gewinnt, ist die tatsächliche Abhängigkeit, in der die Bürger von „ihrem“ Staat stehen.
In der Konkurrenz des kapitalistischen Alltags sind sie ständig auf die staatliche Gewalt angewiesen. Zwar gilt die Marktwirtschaft als Wunderland der Gewaltfreiheit, wo Waren gegen Geld getauscht werden und der Handel eine total friedliche Angelegenheit darstellen soll. Dabei steckt er aber voller Gegensätze: Die einen wollen viel Geld für ihre Ware, die anderen viel Ware für ihr Geld. Wie das – ausserhalb staatlicher Aufsicht – ausgeht, kennt jeder aus den einschlägigen Filmen über Drogen- oder Waffenhandel. Beide Parteien bringen ihre Revolverhelden mit und die Spannung resultiert aus der Frage, ob die Übergabe ohne Waffeneinsatz zustande kommt oder ob eine Partei versucht, sich gleich beides, Ware und Geld, anzueignen.
Wo es um Aneignung geht, steht auch im normalen Leben hinter jedem Handel die staatliche Gewalt, die den friedlichen Händewechsel zu garantieren hat. Wie umfangreich diese Garantie ist, beweist ein dicker Wälzer, das Bürgerliche Gesetzbuch. In dem ist bis ins kleinste Detail geregelt, wie das jedem Handel zu Grunde liegende Vertragsverhältnis zu gestalten ist und wann es seine Gültigkeit hat und wann nicht. Deutlich werden die darin liegenden Gegensätze für den kleinen Mann meist bei Mietstreitigkeiten, beim Internethandel oder beim Gebrauchtwagenkauf.
Abhängig sind natürlich in besonderer Weise die Bürger, die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen. Abhängig nicht nur von denen, die ihre Arbeitskraft für ihr Geschäft nutzen wollen, sondern auch vom Staat, da ein Leben von Lohn oder Gehalt dauerhaft nicht möglich ist wegen der berühmten Wechselfälle, die Arbeitslosigkeit, Krankheit und Alter bereiten. Die Abhängigkeit vom Staat liefert allerdings alles andere als einen guten Grund, deshalb auch für ihn zu sein. Denn selbst mit Arbeitslosen- & Krankenversicherung, mit Rente oder „Bürgergeld“ ist der Lebensstandard nie sichergestellt, weil sich die Konditionen ständig ändern. Und mit der Kriegsertüchtigung wird das Leben im kapitalistischen Alltag dann definitiv unangenehm, da der Staat die dafür anfallenden Kosten stemmen, also den Bürger damit belasten muss. Fazit: Von „unserer“ Sicherheit kann nicht die Rede sein. Es ist geht im Verteidigungsfall um die Sicherheit des Staates in der Auseinandersetzung mit anderen Staaten. Für die sollen die Bürger den Kopf hinhalten, was ihnen definitiv Unsicherheit beschert.
Für die Sicherung des Friedens
„Si vis pacem para bellum“, dieser lateinische Spruch hat zur Zeit Hochkonjunktur, auch bei Politikern, die kein Latein beherrschen. „Wer Frieden will, muss zum Krieg bereit sein“, so CDU-Chef Friedrich Merz als einer von vielen (Table Berlin, 14.1.24) Behauptet wird, dass die andere Seite durch Rüstung und Kriegsbereitschaft vom Krieg abgehalten werden muss. Unterstellt ist immer, dass die anderen Staaten den eigenen bedrohen. Und das behaupten alle reihum vom andern.
Sie wissen offenbar um ihre Verletzlichkeit und verfügen daher über einen entsprechenden Gewaltapparat, schliesslich bewegen sie sich in Konkurrenz zueinander und versuchen jeder für sich den grössten Vorteil aus dem internationalen Geschäft für sich herauszuholen und andere Staaten für sich zu benutzen. Der friedliche Handel schafft eben Gegensätze, die nicht nur mit wirtschaftlicher Erpressung, sondern gegebenenfalls – wenn Rechtsansprüche der Souveräne kollidieren – mit Gewalt ausgetragen werden. Dies gilt heute im Westen als Verteidigung einer regelbasierten Weltordnung, die eh im Recht ist und keine Aktivitäten von Unrechtsstaaten dulden will.
Entscheidend ist für die Mitteilung ans Volk: Die Schuld am Konflikt hat immer die Gegenseite, die sich den eigenen Ansprüchen verweigert, ja sie böswillig beschädigt. Deshalb müssen immer die eigenen Interessen verteidigt – und nicht kriegerisch einfach durchgesetzt – werden. Und deshalb heissen die Kriegsminister Verteidigungsminister. Deutschland definiert seine Interessen dabei inzwischen weltweit und so steht viel deutsches Militär in vielen Ländern, die die Bürger gar nicht zu kennen brauchen. Denn „unsere“ Lieferketten reichen ja bis in den letzten Erdenwinkel…
Es sind nicht die privaten Interessen der Bürger, die da verteidigt werden, sondern die des deutschen Staates, der mal Flüchtlingsrouten schliessen, Wirtschaftswege in Asien offenhalten oder sich schlicht Einfluss auf andere Regierungen sichern muss. Dass das friedlich abgewickelt, von der Gegenseite also hingenommen wird, dafür braucht es entsprechendes Material an Soldaten und eine wuchtige Wirtschaftskraft mit billigen und willigen Menschen. Abschreckung funktioniert dabei nur, wenn die Bereitschaft der Politik auch da ist, die Menschen wirklich einzusetzen und Krieg zu führen. Das hat Deutschland bereits mehrfach bewiesen – etwa in Jugoslawien, Afghanistan, Mali. Gesichert wurde so der Frieden, d.h. ein Zustand, mit dem die deutsche Politik leben kann.
Für unsere Werte und die Demokratie
Glaubt man den Worten der Politiker, dann geht es nie um die Interessen Deutschlands, den Erfolg seiner Wirtschaft und um politisch-militärischem Einfluss in der Welt, der den Erfolg sicherstellen soll, sondern um Werte. Die sollen vor allem in der hiesigen Herrschaftsform – der Demokratie – verwirklicht und durch Autokratien wie Russland, China, Iran und einige andere bedroht sein. Laut dieser Begründung dürfte der Frontverlauf zwischen den Staaten oder Staatenblöcken aber nicht so aussehen, wie er aktuell zu besichtigen ist. Zählen zum Westen, der für diese Werte stehen soll, doch selbstverständlich auch Autokratien. Schliesslich gilt diese Einstufung auch für Ungarn oder die Türkei, die als Nato-Partner zu den Verteidigern dieser Werte gehören sollen.
Stutzig machen könnte den Bürger auch die Tatsache, dass dieses Bündnis von einem Staat angeführt wird, der es mit den immer wieder hochgehaltenen Werten nicht so genau nimmt. So im Fall des Folterverbots, gegen das die USA mehrfach verstossen haben und es in Guantanamo immer noch offen tun. Sie haben zudem die grössten Diktatoren Südamerikas und deren Folterknechte ausgebildet und unterstützt oder mittels ihres Geheimdienstes gewählte Regierungen beseitigt. Eine solche wurde im Iran in den 1950er Jahren mit Unterstützung der USA durch den Schah ersetzt, in Chile waren sie mit dabei, als der gewählte Präsident Salvador Allende von General Pinochet weggeputscht wurde, und in jüngster Zeit war der CIA auch beim Maidan-Putsch mit von der Partie.
Bürger, die über Kriegsverbrechen der USA berichten, werden eingelocht – Meinungsfreiheit und Pressefreiheit hin oder her. Dafür stehen die Namen Snowden, Assange oder Manning. Zur Sicherung der angeblichen Werte wird auch kein Bündnis mit irgendwelchen Diktatoren oder Schlächtern gescheut, seien es die Herrscher Saudi-Arabiens, Ägyptens oder seinerzeit in Indonesien, dessen Untaten jetzt, Jahrzehnte später, „aufgearbeitet“ werden. Als Vertreter der Werte schwingen sich die Regierenden der massgeblichen westlichen Länder, speziell die europäischen Grossmächte, auf. Sie treten als Schiedsrichter an, die Regierungen anderer Länder auf ihre Rechtmässigkeit hin zu beurteilen, sie mit Sanktionen zu belegen oder auch zu bekriegen. Alles Tun ist damit moralisch begründet, wendet sich eben gegen die legendäre „Achse des Bösen“ oder ähnliche Schurken-Netzwerke. Bei solchen Feindbildkonstruktionen darf man natürlich nicht an Verschwörungstheorien denken!
Wenn es ums Krieg führen geht, haben die Werte in allen Verlautbarungen Hochkonjunktur. In der Praxis heisst das: Statt Schutz der körperlichen Unversehrtheit gilt es, das eigene Leben zu opfern; statt frei seine Meinung zu äussern, wird diese daraufhin begutachtet, ob sie der Kriegsmoral dient oder sie untergräbt; auch sonst ist es mit vielen Freiheiten vorbei, schliesslich gelten Befehl und Gehorsam, notfalls explizit unterm Kriegsrecht. Die Menschenwürde ist dennoch nicht dahin, geehrt werden die Opfer des Krieges, weil sie ihr Leben für das Vaterland gegeben haben, ganz so, als ob dies ein freiwilliger Akt wäre. Geht dann der Krieg – wie in Deutschland 1945 – verloren, ist nachher allen klar, dass es eine einzige Lüge war, wofür man den Kopf hinhalten musste.
Für unsere Heimat
Heimatschutz ist überhaupt ein Höchstwert. Man zerstört nie die Heimat und das Vaterland von anderen, sondern verteidigt stets die bzw. das eigene. Mit Heimat verbinden viele Menschen die Vertrautheit der gewohnten Umgebung, das „Veedel“, die Menschen, die man kennt und mit denen einen vieles verbindet – sei es der gemeinsame Schulbesuch, der Verein oder die Nachbarschaft. Diese gefühlsmässige Bindung wissen auch die Agitatoren der Kriegstüchtigkeit für ihre Zwecke zu nutzen. Nur wenn es um die militärische Verteidigung dieser gewohnten und vertrauten Umgebung geht, dann stehen sowohl Landschaft wie Einwohner zur Disposition, sie werden je nach Kriegsbedarf der Zerstörung preisgegeben. Waffen schützen bekanntlich nicht Menschen, sondern verletzen oder töten sie.
Zudem hat die Berufung auf die Heimatidylle auch immer etwas Verlogenes. Ausgesucht haben sich die wenigsten ihre Umgebung, meist wurden sie entweder dort hinein geboren oder beruflich verschlagen. Das Zusammenleben gestalten sie ebenfalls nicht gemeinsam mit ihren Mitbürgern nach eigenem Gusto, dessen Regeln werden ihnen vielmehr von oben per Gesetz vorgegeben. In diese Ordnung müssen sie sich einfinden und versuchen dann, das Beste für sich daraus zu machen. Die Inhalte der Regeln sind auch kein Geheimnis an einem nationalen Kapitalstandort, der sich in der globalen Konkurrenz bewähren will.
Über die Inhalte haben die Bürger nicht zu entscheiden, auch wenn sie zur Wahl aufgerufen sind. Entschieden wird dabei über Personen, die die Gemeinde, das Land oder den Bund verwalten sollen. Und so kann es zwar sein, dass man mit dem einen oder anderen Politiker in die Schule gegangen ist und sogar persönliche Vertraut vorliegt. Doch worüber dieser Volksvertreter zu entscheiden hat, das steht längst vor der Wahl fest.
Das beginnt – ganz augenfällig – in der Kommune. In ihr wird etwa über Schulbau, Sportplatz und Strassenbau entschieden, was Geld kostet. Doch nur ein Teil der Lohn- und Einkommensteuer der Bewohner bleibt in der Kommune; deren wichtigste Einnahmequelle ist die Gewerbesteuer. Mit dieser Vorgabe des Bundes stehen die Kommunen in der Konkurrenz zueinander um die Ansiedlung von Unternehmen. Also muss diesen ein roter Teppich ausgebreitet werden – in Form von billigen Grundstücken, Strassen- und Eisenbahnanschlüssen etc. Das kostet ebenfalls Geld und deshalb steht die Rangfolge bei den Ausgaben immer schon fest, bevor die gewählten Gemeindevertreter zusammenkommen. Klagen über schlechte Schulen, verrottete Sporthallen oder Schlaglöcher in den Strassen sind verbreitet, aber scheinen das schöne Bild der eigenen Heimat bei vielen nicht zu beeinträchtigen. Wenn man also den Kopf für Heimatschutz hinhält, geht es nicht um die Realität dieses Gutes, sondern um das verlogene Ideal einer anheimelnden Ordnung.
Für Deutschland
Letztendlich kürzen sich all die schönen Titel auf eins zusammen: Es geht um Deutschland, d.h. um dessen Stellung in der Welt. Wobei – das zeigt die ganze Litanei, die hier zum Abschluss kommt – gar nicht die praktischen Zwecke im Vordergrund stehen, die das eigene Land verfolgt, etwa Deutschland im Roten Meer oder in Afghanistan realisieren will. Der Bürger muss vor allem eins wissen: dass es um Recht und Ehre der Nation geht. Dafür soll sich jeder Deutsche als Teil eines grossen Ganzen sehen, dem er sich zugehörig fühlt, wie es bei Sportveranstaltungen oder beim Absingen der Nationalhymne eingeübt wird.
Dieses Gemeinschaftsgefühl kann natürlich nur entstehen, wenn man von all den Gegensätzen absieht, die den Alltag in der kapitalistischen Gesellschaft bestimmen. Das macht die grundlegende Leistung des Nationalismus – der heute meist Patriotismus heisst – aus. Er ist es, der die Menschen in Gegensatz zu den Bürgern anderer Nationen bringt. Hergestellt wird diese Gemeinschaftlichkeit praktisch durch den Staat, der bestimmt, wer dazu gehört und wer nicht und wer als Angehöriger eines anderen Staates deshalb unter dem Verdacht der Illoyalität steht, wie sie im Ausländergesetz dokumentiert ist. Wer sich ohne staatliche Erlaubnis hier aufhält wird schliesslich ausgewiesen…
Zu dieser inszenierten Gemeinschaftlichkeit sind die Bürger aufgefordert – natürlich, siehe oben, auf Basis der staatlichen Gewalt, die ihnen ihre abhängige Rolle zuweist und die aus der fiktiven Gemeinsamkeit („Wir sind ein Volk“) eine wirkliche macht. Sie sollen sich als Teil dieser Gemeinschaft fühlen und die Ansprüche ihrer Herrschaft teilen. Nur dann können sie guten Gewissens auf andere Bürger schiessen, die sich ebenfalls ihren Staat nicht ausgesucht haben und die die gleichen Sorgen haben wie die hiesigen Bürger: die Sorge um den Arbeitsplatz, um eine bezahlbare Wohnung, um Lebenshaltung bei steigenden Preisen usw.
Der nationale Standpunkt ist heute als Selbstverständlichkeit durchgesetzt. Arbeiter schiessen nicht auf Arbeiter – so hiess dagegen einmal eine Parole der Arbeiterbewegung. Die alte Parole wurde jüngst von der oppositionellen Gewerkschaftsinitiative „Sagt nein!“ angesichts der laufenden Kriege und Kriegsvorbereitung ausgegraben. Es war eine Parole, die sich an Arbeiter richtete, die noch eine Ahnung vom Klassengegensatz zu ihren Arbeitgebern und zu dem Staat hatten, der deren Interesse am Wirtschaftswachstum betreut – und denen vielleicht auch noch der Spruch von Karl Marx bekannt war, dass Arbeiter kein Vaterland haben.
Dieses Bewusstsein ist heutzutage nicht mehr vorhanden. Schon vor dem Ersten Weltkrieg schlossen die Arbeiterorganisationen ihren „Burgfrieden“ mit der kaiserlichen Regierung. Die Nation war ihnen wichtiger als der Kampf gegen ihre Abhängigkeit von Kapital und Staat. Und an dieser Stellung hat sich weder nach den Millionen Toten in den Schützengräben des ersten noch nach denen des zweiten etwas geändert. Im Nachkriegsdeutschland hiess es zwar immer wieder „nie wieder“, aber die Arbeiter und ihre Organisationen haben nichts daraus gelernt und sich nicht wirklich gegen die Wiederaufrüstung gestemmt. Aktuell sind die deutschen Gewerkschaften mit Beginn des Krieges in der Ukraine dabei, ihre Satzungen der neuen Kriegslage anzupassen. Und die IG-Metall hat ein Bündnis mit dem Rüstungskapital geschlossen. Begründet wird dies natürlich mit den Arbeitsplätzen, von denen viele abhängig sind.
So wird aus der Sorge um den Arbeitsplatz die Sorge um den Erfolg der Nation. Und da macht es offenbar auch nichts, wenn die Nation gerade dabei ist, den nächsten Krieg vorzubereiten. Nicht umsonst gibt es den Deutschen Gewerkschaftsbund DGB, der sich als nationale Organisation versteht und bei allen Solidaritätsadressen an die Gewerkschaften anderer Staaten stets auf den Vorteil der deutschen Wirtschaft bedacht ist.
Wer sich gegen die Kriegsertüchtigung wenden will, bewegt sich somit ausserhalb der national begründeten und nationalistisch aufgeheizten Gemeinschaft und hat eben den Nationalismus dieser Organisationen zu bekämpfen. Bündnispartner dafür finden sich nicht da, wo man sich national mit anderen verbunden fühlt, sondern in der Bereitschaft von Menschen – welcher Nationalität auch immer – sich von der Unterordnung unter die Staatsmacht ideell und dann auch praktisch zu verabschieden.
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